Initiative zu Ukraine: Merz sucht gemeinsame Linie mit Trump

Nato-Gipfel
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Vor dem Gipfel

Berlin (dpa) - Bundeskanzler Friedrich Merz versucht zu einer gemeinsamen Linie der Europäer mit US-Präsident Donald Trump über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs zu kommen. Am Mittwoch und damit zwei Tage vor dem geplanten Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska beraten auf Initiative des Kanzlers europäische Staats- und Regierungschefs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Trump. 

Bei der Videokonferenz soll es unter anderem um weitere Handlungsoptionen gehen, um Druck auf Russland zu erzeugen. «Darüber hinaus soll über die Vorbereitung möglicher Friedensverhandlungen und damit verbundene Fragen zu Territorialansprüchen und Sicherheiten gesprochen werden», teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin mit. 

Am Freitag wollen Trump und Putin im US-Bundesstaat Alaska über eine mögliche Friedenslösung in dem seit rund dreieinhalb Jahren dauernden russischen Angriffskrieg verhandeln. Trump stellt das Treffen in Alaska als Versuch dar, einem Ende der Kämpfe näherzukommen. Er sprach in diesem Kontext von einem möglichen Gebietstausch zwischen der Ukraine und Russland. Die Ukraine lehnt Gebietsabtretungen strikt ab. 

Vorberatungen vor Alaska-Gipfel

Vor den digitalen Beratungen mit Trump sowie US-Vizepräsident JD Vance am Mittwochnachmittag ist laut deutschen Regierungsangaben ein virtuelles Meeting von Merz mit den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Finnland geplant, an dem auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Selenskyj teilnehmen sollen. Nach den Beratungen mit Trump sind noch einmal Beratungen europäischer Staats- und Regierungschefs geplant. 

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte, dass von der Leyen an den Beratungen europäischer Regierungschefs mit Trump teilnimmt. Die Gespräche würden von Merz organisiert. Dem Élysée-Palast zufolge ist auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Teil der Gespräche mit Trump. Demnach handelt es sich um eine gemeinsame Initiative von Macron, Merz und dem britischen Premier Keir Starmer. 

Ukraine an Friedenslösung beteiligen

Die Bundesregierung betonte die Bedeutung einer Beteiligung der Ukraine an jeder Friedenslösung. Zugleich könne dies «ein sehr, sehr wichtiger Moment sein für den weiteren Verlauf dieses schrecklichen Krieges», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer.

Er verwies auf Aussagen von Merz, der in der ARD erklärt habe, er setze darauf, dass die Ukrainer eingebunden würden. Der Sprecher sagte: «Denn wenn das Ziel ist, wirklich einen nachhaltigen und auch gerechten Frieden zu erreichen, dann ist das ja nur vorstellbar mit der Ukraine. Es ist ja völlig ausgeschlossen, dieses Ziel zu erreichen über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg.»

Auch Polen hatte vor dem geplanten Treffen von Trump und Putin die Beteiligung der benachbarten Ukraine an jeder Friedenslösung angemahnt. 

Mögliche Gebietsabtretungen?

Nato-Generalsekretär Rutte betonte, die Ukraine sei ein souveräner Staat, der seine geopolitische Zukunft selbst bestimme. Dem US-Sender ABC sagte er aber auch: «Wir müssen im Moment zur Kenntnis nehmen, dass Russland einen Teil des ukrainischen Territoriums kontrolliert.» Nach einer Waffenruhe werde sich die Frage stellen, wie es in territorialen Fragen und mit Blick auf mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine weitergehe. 

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, mahnte, den Fokus nicht nur auf territoriale Fragen zu richten, sondern auf die Menschen. 

Unterdessen wollten die EU-Außenminister bei einer Videokonferenz ihre nächsten Schritte besprechen. «Europas Kerninteressen stehen auf dem Spiel», teilte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor einer Sondersitzung mit. Sie betonte, dass jede Vereinbarung zwischen den USA und Russland die Ukraine und die EU einschließen müsse, «denn es geht um die Sicherheit der Ukraine und ganz Europas». Russlands Aggression dürfe nicht belohnt werden - die vorübergehend russisch besetzten Gebiete gehörten zur Ukraine. 

Selenskyj: Werden unsere Unabhängigkeit verteidigen

Der ukrainische Präsident Selenskyj unterstrich in seiner abendlichen Videoansprache indirekt, dass er einen Deal zum Gebietstausch nicht akzeptieren werde. «Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen», betonte er. Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden. 

In dem Treffen am Freitag sieht der ukrainische Präsident einen neuen Täuschungsversuch Moskaus. «Wir verstehen die Absicht der Russen, Amerika zu täuschen – das werden wir nicht zulassen», sagte Selenskyj. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen «und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt». 

Treffen ohne Ukraine

Selenskyj ist nicht nach Alaska eingeladen. Der US-Nato-Botschafter schließt allerdings eine Einladung an Selenskyj zu dem Treffen nicht aus. «Ich halte es durchaus für möglich», sagte Matthew Whitaker dem Sender CNN. Die Entscheidung werde von US-Präsident Trump getroffen. Mit Blick auf einen von Trump ins Spiel gebrachten «Gebietstausch» zwischen Russland und der Ukraine sagte Whitaker, es gehe darum, eine Einigung zu finden. Unterhändler berieten aktuell darüber, welche Gebiete betroffen sein könnten.

Viele Verletzte bei russischem Luftschlag - Tote in Russland

Bei einem russischen Luftangriff mit Flugzeugbomben auf die südukrainische Großstadt Saporischschja wurden unterdessen mindestens 20 Menschen verletzt. Wie Militärverwalter Iwan Fedorow auf Facebook mitteilte, traf eine der Gleitbomben einen Busbahnhof im Zentrum. Russland meldete am späten Abend unter anderem zwei Tote bei einem ukrainischen Drohnenangriff in Tula.

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