Schon 5.000 Unterschriften

AIRE - unter diesem Namen möchte Unternehmer und Oscar-Gewinner Horst Burbulla einen Veranstaltungsturm in der Nähe der Bonner Rheinaue bauen. Bis zum Sommer möchte er die Unterschriften von 10.000 Unterstützern sammeln, die Hälfte hat er nach seinen Angaben jetzt.

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220 Meter hoch soll der transparente Turm mit Konzertsaal, Gastronomie und Aussichtsplattform werden. Standort ist eine unbebaute Fläche am Bonner Rheinufer. Für den Bau und späteren Betrieb wurde eigens eine Stiftung gegründet. AIRE ist nicht-kommerziell und kein Investment-Case. Ob der Turm gebaut wird, entscheiden die Bonner Bürger.

Fragen an Horst Burbulla

Sie haben in Ihrem Leben einiges erreicht, unter anderem einen revolutionären Kamerakran entwickelt und dafür einen Oscar bekommen. Woher stammt die Idee, jetzt ein so ungewöhnliches, komplexes und großes Gebäude zu errichten?

Hinter der Idee zu AIRE steckt kein spezieller Plan. Vieles erwächst ja aus Tagträumen und Gedankenspielen. Die Idee zu diesem Turm ist über die Zeit gewachsen und irgendwann ein reales Projekt daraus geworden.


Der Turm an sich ist eines, ein Konzertsaal auf 166 Metern Höhe ein anderes. Gab es einen bestimmten Anlass, aus dem heraus die Idee entstanden ist?

Es gab in Bonn vor ein paar Jahren den Plan, ein Festspielhaus zu bauen, aus dem leider nichts geworden ist. An sich wäre das etwas sehr Schönes gewesen. Andererseits kam das Ganze aber auch sehr trocken und akademisch verschult daher. So wie man es eben von Konzertbauten kennt, die auf den normalen Konzertabend zugeschnitten sind: Hinfahren, hinsetzen, zuhören, heimgehen. Als ich mir damals die Entwürfe angesehen habe, dachte ich mir, es würde wahrscheinlich sehr schwierig sein, meine Kinder, die zu diesem Zeitpunkt um die 10 Jahre alt waren, in dieses Gebäude zu bewegen, um sich ein Konzert anzuschauen. Das war für mich ein bisschen der Anlass, über eine Alternative nachzudenken, die in dieser Hinsicht vielleicht wirkungsvoller sein könnte. Der weite Blick in das Rheintal und bis nach Köln hat etwas Magisches.

Stiftung soll den Turm finanzieren

Und Ihre Auffassung ist, dass ein Konzertsaal ganz weit oben in einem Turm auch ein ganz anderes Publikum anziehen würde - ein jüngeres zum Beispiel?

Unsere heutige Idee von einem Konzertsaal stammt im Grunde immer noch aus dem 19. Jahrhundert und der Fortsetzung und Wiederholung bis in die 50er Jahre. Zwischenzeitlich hat sich vieles verändert. Man kann Musik nicht mehr aufführen wie vor 100 Jahren. Insbesondere klassische Musik muss zugänglicher sein. Und das betrifft auch den Ort, an dem sie stattfindet. Ich liebe klassische Musik, aber warum wird sie immer so lieblos präsentiert? Musikhören sollte ein freudiger Event sein.


Das ist ein ähnlicher Ansatz wie ihn Dirk Kaftan als Generalmusikdirektor der Stadt Bonn verfolgt, der die Klassik bewusst aus den Konzertsälen herausholt und an Orte bringt, wo die Menschen mehr davon haben und einen ganz anderen Zugang zu Musik bekommen. Sehen Sie das also in vergleichbarer Weise?

Auf jeden Fall muss klassische Musik wieder Musik werden und darf nicht als anstrengende Aufgabe daherkommen.


Was steckt hinter der ungewöhnlichen Finanzierungsidee? Sie haben eine eigene Stiftung gegründet, die den Bau bezahlt und auch für den späteren Betrieb zuständig sein wird.

Mir war es wichtig, dass dieses Projekt langfristig in Bonn angelegt ist, dass es langfristig ein Ausflugsziel hier in Bonn bleibt und nicht von irgendjemandem übernommen wird, der ein Bürogebäude daraus macht. Das lässt sich am besten durch eine Stiftung sichern, denn eine Stiftung ist nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern nur dazu verpflichtet, das eigene Programm am Leben zu erhalten. Was den Betrieb betrifft, so finde ich es wichtig, dass bestimmte öffentliche Gebäude immer auch zugänglich sind, und zwar für jeden. Mir ging es bei der Stiftungsidee vor allem darum, dass die Eintrittspreise zivil sein sollen. Wenn man beispielsweise die Baukosten der Elbphilharmonie wirklich umlegen wollte, würde jedes Ticket vermutlich 2000 oder 3000 Euro kosten müssen. Und das ist natürlich nicht sehr sozial.

Sie haben sich in der Gestaltung des Turms für einen Ansatz entschieden, der in gewissem Sinne anachronistisch anmutet. Wollen Sie damit einen Typus in die Architektur zurückholen, der heute eher vermieden wird?

Ich stelle mir die Frage selbst oft und verstehe eigentlich nicht, warum nach Art Deko die Ornamentik in gewissem Sinn abgeschaltet wurde und bis heute geradezu verboten ist. Seitdem schauen wir uns nur noch Raufaser und Waschbeton an. Das ist kein Naturgesetz. Das Dekorative an Gebäuden beschränkt sich heute maximal auf Materialien, Fugen und Fensterreihen. Aber im Vergleich zu früheren Jahrhunderten wird nicht mehr dekoriert. Und das erschließt sich mir nicht so ganz. Ob man das Dekorative zurückholen kann, ist eine ganz andere Frage. Das wird die Zeit zeigen.


Umso auffälliger, dass wir im Moment in vielerlei Hinsicht die Goldenen 20er feiern, aber architektonisch weiterhin Nüchternheit vorherrscht. Glauben Sie, dass Ornamentik generell in Zukunft wieder relevanter werden wird?

Ob das irgendwann wiederkommt, ist sicher eine spannende Frage. Aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wenn man Ornamentik haben will, dann benötigt man auch wieder eine spezielle Art von Handwerk. Stuckateure, Maler, Steinmetze, Menschen, die mit Proportionen umgehen können, Formgefühl haben, all die Gewerke eben, die ein Ornament erst möglich machen. Und dann werden ja auch neue Techniken entwickelt. Das ist ein Prozess. Das würde allerdings bedeuten, dass Dekorationen nachgefragt und wichtig genommen werden.


Sie haben sich dazu entschieden, die Bürger zu befragen, ob der Turm gebaut werden soll oder nicht. Was war die Motivation dahinter?

Mir war relativ schnell klar, dass so etwas Prägnantes, das wir als Bonner jeden Tag sehen werden, von den Bürgern gewollt und ganz breit diskutiert werden muss. Dafür ist ein Bürgerbegehren und gegebenenfalls ein anschließender Bürgerentscheid das perfekte Werkzeug.

Die Bonner entscheiden

Was ist, wenn die Bürger sich gegen das Projekt entscheiden?

Dann ist das so und AIRE wird es nicht geben.


Zum jetzigen Zeitpunkt [Stand 01/20] haben Sie fast die Hälfte der Unterschriften zusammengetragen, die für ein erfolgreiches Bürgerbegehren notwendig sind. Wie groß sehen Sie Ihre Chancen?

Ich sehe das Ganze wie eine Reise. Da weiß man ja nie so genau, was an der nächsten Station auf einen zukommt. Der Zuspruch, den wir hier bekommen, trägt uns natürlich weiter. Und das ist etwas ganz Fantastisches. Sonst wäre ich schon längst eingeknickt. Immer wieder wird gesagt, Bonn sei verschlafen und konservativ, aber meine Erfahrung auf der Straße oder im Showroom kann das nicht bestätigen. Man kann durchaus besondere Projekte in dieser Stadt umsetzen. Ich glaube, wir hier in Bonn sind mutiger, als wir es von uns erwarten.


Dennoch gibt es auf der Welt sicher Städte, die ein Projekt wie das Ihre direkt mit offenen Armen aufgenommen hätten. Warum Bonn?

Vieles hängt für mich mit Verbundenheit und Mentalität zusammen und bestimmte Sachen kann man nur zuhause machen. Dort kennt man sich aus. Ich lebe hier, ich habe hier meine Familie, also habe ich natürlich einen ganz besonderen Bezug zu dieser Stadt. Alle anderen Städte sind mir gefühlsmäßig nicht so nah. Nicht weil sie mir nicht gefallen würden, sondern weil die Bindung fehlt. Ich liebe Bonn.


Sie möchten das Grundstück von der Stadt für 50 Jahre pachten. Wie kam es zu diesem Zeitraum?

Ich finde, dass die Stadt immer Eigentümerin dieses Grundstücks bleiben, und dass es nicht zum öffentlichen Büromarkt hinzugefügt werden soll.

Ist der Turm ein Passion Project oder sehen Sie das eher nüchtern?

Beides. Weil es ein sehr technisches Projekt ist, muss man so etwas sehr nüchtern sehen, sonst verzettelt man sich. Auch in finanzieller Hinsicht. Auf der anderen Seite ist AIRE natürlich auch ein sehr verspieltes Projekt, ein sehr emotionales Projekt, und da darf man sich auch nicht vor Gefühlen schützen. Die gehören dazu.


Wie schützen Sie sich davor, wenn Sie für das Projekt angegriffen werden?

Wie jeder andere auch: Augen zu und durch.


Bonn ist Beethovens Geburtsstadt und Beethoven steht nicht zuletzt dafür, seine Visionen auch gegen alle Widerstände behauptet zu haben. Sehen Sie sich als Bonner da vielleicht auch ein bisschen in der Tradition dieses großen Namens?

Das Interessante an Beethoven ist für mich, dass er Ideen immer weiterverfolgt und Kompositionen umgeschrieben hat, auch wenn die Noten eigentlich längst abgegeben waren. Für ihn war Perfektionierung zentral. Unterschiedliche Projekte ist er immer wieder neu angegangen, auch nachdem sie bereits mehrfach gescheitert waren. Dieses unermüdliche Abmühen an bestimmten Ideen durchzieht sein gesamtes Leben. Das macht ihn für mich zu einem Vorbild, an dem man sich orientieren kann.


Glauben Sie, dass die Menschen einen anderen Blick auf Bonn bekommen, wenn der Turm einmal steht?

Der Blick auf Bonn wird sich auf jeden Fall ändern. Selbst jetzt in der Phase, wo man über das Projekt nur redet, dreht sich das bereits. Was in zehn Jahren sein wird, kann man schwer sagen. Auf jeden Fall haben wir eine Diskussion angestoßen, die es so bislang in Bonn nicht gab.


Sie waren bislang nie eine öffentliche Person, haben sich aber jetzt zwangsweise mit ihrem Projekt nach außen begeben müssen. Was macht das mit Ihnen?

Es ist auf jeden Fall eine neue Erfahrung und auch belastend, aber es ist Teil dieses Abenteuers. Wenn man nicht an die Öffentlichkeit geht, bewirkt man auch nichts. Man bewirkt nur dann etwas, wenn man mit Leuten redet, neuen Leuten, fremden Leuten, und versucht, sie mit ins Boot zu holen.


Was sagen Sie Menschen, die Ihnen unterstellen, Sie wollten sich mit AIRE ein Denkmal setzen?

Sich ein Denkmal zu setzen, geht auch einfacher. Es wäre natürlich eine schöne Vorstellung, wenn sich die Menschen in 100 Jahren noch an uns erinnern würden. Das als Motivation würde aber nicht weit tragen. Es ist ein viel befriedigenderes, glücklich machendes Gefühl, etwas zu tun, das funktioniert und unser Leben bereichert.


Warum haben Sie das Gebäude nicht Burbulla-Tower genannt?

Das wäre etwas, was weder dem Projekt noch mir gut täte. Wenn ich AIRE hieße, wäre das vielleicht anders.

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